Generalversammlung der WEA: Ein funktionierendes „Familientreffen“ für die globale und koreanische evangelische Kirche

SEOUL, SÜDKOREA (29. Oktober 2025) Die Generalversammlung der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) brachte 850 Delegierte aus 124 Nationen sowie 4.000 koreanische Gemeindeleiter zusammen. Die Organisatoren bezeichnen sie als „Familientreffen“ des weltweiten Christentums und als den Beginn einer engeren Zusammenarbeit und Einheit zwischen den WEA-Mitgliedern und der koreanischen Kirche. 

Das Treffen, das alle sechs Jahre stattfindet, verdeutlicht die geografische Verschiebung des evangelikalen Christentums: 711.030 Teilnehmer kommen aus Afrika, Asien und anderen Regionen des globalen Südens – was die Tatsache widerspiegelt, dass 701.030 der Christen weltweit heute in diesen Gebieten leben.

„Man geht oft davon aus, dass Nordamerika die meisten Evangelikalen stellt“, bemerkt Dr. Brad Smith, Interimsdirektor der Abteilung für Allianz-Engagement, „aber nur 171 unserer Delegierten kommen von dort.“ Asien dominiert mit 361 Teilnehmern, gefolgt von Afrika mit 211 und Lateinamerika mit 51.

Die Zahlen erzählen eindrucksvolle Geschichten – nicht nur von demografischen Veränderungen mit einem deutlich niedrigeren Durchschnittsalter der Teilnehmenden von 46 Jahren im Vergleich zu früheren Treffen, sondern auch von Entschlossenheit und Wachstum. Nepal entsandte trotz des jüngsten Regierungssturzes und erheblicher Reisebeschränkungen eine bemerkenswerte Delegation, die 91 % aller asiatischen Teilnehmenden stellte. Burundi und Ruanda stellten jeweils 121 % afrikanische Delegierte, während Länder wie Pakistan, wo Christen erheblichen Herausforderungen gegenüberstehen, 121 % und Lateinamerika 51 % der Delegierten stellten.

Die Versammlung findet zu einem kritischen Zeitpunkt für das weltweite Christentum statt. In der Plenarsitzung mit dem Titel „Das Evangelium in einer sich wandelnden Welt verkünden“ wurde deutlich, dass es weltweit etwa 3,7 Millionen Gemeinden an ausgebildeten Pastoren mangelt. Dieses Problem ist besonders kritisch für die schnell wachsenden Gemeinden im globalen Süden. Michael Ortiz von der Global Pastoral Training Alliance erklärte, dass es weltweit – die USA ausgenommen – nur einen ausgebildeten Pastor pro 450.000 Einwohner gibt. Diese Situation zeigt, dass das Gemeindewachstum die Ausbildung neuer Leiter deutlich übersteigt.

Die Krise innerhalb der Kirche betrifft auch Fragen des Charakters, der Integrität und der kompromisslosen Heiligkeit, die für eine wirksame Verkündigung des Evangeliums Christi notwendig ist. Der 85-jährige indonesische Evangelist Dr. Stephen Tong, bekannt als der „Billy Graham Asiens“, forderte die Gemeinde heraus: „Seid ihr heilig? Lebt ihr ein heiliges Leben? Viele Pastoren sündigen, aber sie treten jede Woche zum Altar und predigen. Wenn ihr alles heilig halten könnt, dann könnt ihr Diener Gottes sein.“ 

Datengetriebene Mission und überraschende Möglichkeiten

Die von Paul Williams von der British and Foreign Bible Society vorgestellte Patmos-Initiative enthüllte ein bemerkenswertes Paradoxon: Während 761.030 der asiatischen Bevölkerung nichts von der Bibel wissen, besteht unter Nichtchristen ein erhebliches Interesse daran, darunter 171.030 allein in Südkorea. Diese ungenutzte spirituelle Neugier stellt laut den Referenten eine enorme missionarische Chance dar, die strategische, datengestützte Ansätze erfordert.

Koreanische Kircheneinheit und Nordkorea-Krise

Die Koreanische Nationale Pastorenkonferenz, die parallel zur Generalversammlung stattfindet, hat begonnen, die historisch gespaltenen koreanischen Kirchen zu stärken. Nachdem die Koreanische Evangelische Allianz (KEF) kürzlich in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung beschlossen hat, sich in die Koreanische Evangelische Allianz (KEA) umzuwandeln, und Vertreter sowohl der Yoido- als auch der Sarang-Kirche anwesend waren, gab es intensive Diskussionen und Aufrufe zu mehr Einheit innerhalb der koreanischen Kirche.  

Pastor Kiho Lee, ein koreanischer Kirchenvertreter, sagt: „Ich bin so dankbar, dass ich mich im Rahmen der WEA-Generalversammlung in Seoul mit Pastoren aus aller Welt treffen kann. Dort, wo Ost und West aufeinandertreffen, die nördliche und südliche Hemisphäre zusammenkommen und wir auch Asien in Südkorea begegnen können, freue ich mich sehr auf die Zukunft.“

Das eindringliche Zeugnis des nordkoreanischen Überläufers Ji Seong-ho lenkte die dringende Aufmerksamkeit auf die Notlage von 25 Millionen Nordkoreanern. Seine Überlebensgeschichte – darunter der Verlust seines linken Arms und Beins bei einem schrecklichen Unfall als Teenager, eine Operation ohne Narkose, der Hungertod seiner Großmutter, die Folterung seines Vaters nach der Flucht der Familie und der Verkauf seiner Mutter an Menschenhändler – verdeutlicht die unvorstellbaren Herausforderungen, denen sich Nordkoreaner stellen müssen.

Ji Seong-ho betonte, sein Überleben sei kein bloßes Glück, sondern ein Fügung Gottes gewesen, der ihn zu einer Stimme für Nordkorea machen wollte, wo Untergrundgläubige weder die Bibel lesen noch offen Loblieder singen dürfen und wo Hunderttausende Opfer von Menschenhandel geworden sind oder als obdachlose Straßenkinder leben. Seine Botschaft war ein direkter, emotionaler Appell an die weltweite Kirche: unaufhörlich für Nordkorea zu beten und ihre gemeinsame Verantwortung anzuerkennen, dort das Evangelium zu verbreiten.

Aufruf zur Vereinigung des Evangeliums

Nach 80 Jahren gescheiterter militärischer, diplomatischer und politischer Bemühungen präsentierten die Redner die „Vereinigung durch das Evangelium“, bei der Nord- und Südkorea in Christus wahrhaftig eins werden, als einzig verbleibenden realistischen Weg. Die Versammlung erfuhr von drei südkoreanischen Missionaren, die derzeit in Nordkorea inhaftiert sind, und von den komplexen diplomatischen Bemühungen, die in Zusammenarbeit mit der WEA unternommen wurden, um deren Freilassung zu erreichen. Am Ende der Sitzung wurde ein leidenschaftlicher Appell an christliche Führungskräfte gerichtet, „mit einem Herzen zu Gott zu rufen“, damit er auf der koreanischen Halbinsel etwas „Neues“ bewirke – etwas, das nur auf übernatürliche Weise als Beweis für Gottes souveräne Macht über die menschliche Geopolitik erreicht werden könne.

Globale Herausforderungen bewältigen

Die Versammlung steht vor zahlreichen drängenden Herausforderungen für die weltweite Kirche. Chikondi Malomba von den Vereinigten Bibelgesellschaften betonte, dass die Zugänglichkeit der Bibel in lokalen Sprachen, Kulturen und Formaten eine Frage der sozialen und historischen Gerechtigkeit sei, insbesondere in Afrika, wo Armut, Analphabetismus und postkoloniale Wahrnehmungen weiterhin erhebliche Hindernisse darstellen.

Die Krise in der Führungskräfteausbildung erfordert dringende Innovationen. Die Globale Allianz für Pastorale Ausbildung hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2035 soll jede Gemeinde über eine in Charakter und Kompetenz geschulte pastorale Führungskraft verfügen. Dies erfordert einen Wandel von ausschließlich formalen, Präsenzstudiengängen hin zu flexiblen, kontextbezogenen Modellen, die die theologische Ausbildung direkt zu den lokalen Führungskräften bringen.

Dr. Brad Smith betont den praktischen Fokus der Versammlung: „Die Leute lieben die Predigten, sie lieben die Gottesdienste, aber was ihnen wirklich Freude bereitet, ist die Gemeinschaft untereinander. Sie alle arbeiten daran, wie sie ihre nationalen Bündnisse verbessern können, um das Evangelium in ihren jeweiligen Gebieten besser zu verbreiten.“

Die Versammlung wird die ganze Woche über fortgesetzt. Heute findet die WEA-Geschäftssitzung statt, bei der neue Mitglieder des Internationalen Komitees gewählt und Änderungsentwürfe diskutiert werden. Die Delegierten arbeiten daran, das zu bewältigen, was die Redner als dringende Notwendigkeit für die globale Kirche bezeichneten, Daten für eine intelligentere Mission zu nutzen, sich mit moralischem Mut mit der Kultur auseinanderzusetzen und die Krise der Führungskräfteausbildung dringend durch kollaborative und innovative Modelle anzugehen.